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PRÄSENTATION
»So sehen wir auch hier, wie zahllose Menschen eigentlich nur als
Vorbereitung eines wirklichen Menschen leben: z.B. die Philologen
als Vorbereitung des Philosophen, der ihre Ameisenarbeit zu nutzen
versteht, um über den Werth des Lebens eine Aussage zu machen.
Freilich ist, wenn es keine Leitung giebt, der grösste Theil jener
Ameisenarbeit einfach Unsinn und überflüssig.«
F. Nietzsche, “Wir Philologen”,
Nachgelassene Fragmente 1875, 3[63].
Seit einigen Jahren gibt es mehr und mehr Arbeiten, die sich in
signifikanter Weise nicht nur Nietzsches Verhältnis zu den Griechen
widmen, sondern auch seiner Tätigkeit als Professor der klassischen
Philologie an der Universität Basel von 1869 bis 1879, auf einem
Lehrstuhl, auf die Nietzsche mit vierundzwanzig Jahren, noch vor
seiner Promotion, berufen wurde. Obwohl er zu brillant war, um
lange ins akademische Geschäft eingesperrt zu sein, war Nietzsche
ganz und gar Philologe, mit allem wissenschaftlichen Anspruch –
mühevoll, sogar staubtrocken, wie es dieser Ausdruck in sich birgt,
und dies sogar unter dem Gesichtspunkt einer Nietzscheanischen
Neubegründung. Die Glanzleistung der Geburt der Tragödie hat die
rein philologischen Texte, die Nietzsche veröffentlichte, in den
Schatten treten lassen, ebenso die Vorlesungen und
Aufzeichnungen aus seiner Tätigkeit als Professor, die seine
wissenschaftliche Kompetenz und seine Kenntnis der Antike
erweisen. Alle diese Texte lassen das besondere Verhältnis, wie es
mit dem Titel « Nietzsche und die Griechen » zum Ausdruck kommt,
ins Licht treten: während alle Philosophen eine mehr oder weniger
gründliche Interpretation des Griechen vorgelegt haben, ist allein
Nietzsche ein Philosoph, der sozusagen als klassischer Philologe
geboren wurde.
Nach einer Einführung über die komplexen Beziehungen von
Philologie und Philosophie im « Fall Nietzsche » im Licht ihrer
konfliktreichen oder auch glücklichen Beziehungen in der Antike
selbst wird das Kolloquium ebenso philosophische wie philologische
Themen behandeln, in denen die Tiefe und der Sachverstand einer
leuchtenden Figur der Philosophiegeschichte zur Geltung kommt.
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