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EINFÜHRUNGSTEXT
Antisemitismus ist kein gewöhnlicher Rassis-
mus, sondern bezeichnet den Hass auf  ‘den 
Juden’ weil er jüdisch ist. ‘Der Jude’ ruft bei 
Antisemiten allerlei Ängste und Fantasien 
wach. Er ist Kommunist oder Kapitalist, reich 
oder arm, religiös oder atheistisch. Diese irra-
tionale Angst und Hass fokussieren sich auf 
‘den Juden’ als Feind mit vielen Gesichtern. 
Was er auch sagt oder tut, dieser imaginäre 
Jude ist die Personifikation des Bösen. 
Antisemitismus entstand, als sich das Chris-
tentum und später der Islam rund ums 
Mittelmeer ausbreiteten. Diese monothe-
istischen Religionen, die unmittelbar vom 
Judentum abstammen, wurden zu Rivalen 
der ‘Mutterreligion’. Die erste Welle des Anti-
semitismus wird deswegen als religiöser An-
tijudaismus bezeichnet. Zu manchen Zeiten 
wurden Juden toleriert, weil sie als erste an 
nur einen Gott zu glauben begannen. Zu an-
deren Zeiten wurden Juden verfolgt, weil sie 
Anhänger einer falschen Religion seien und 
sich weigern würden, die Ankunft des Messi-
as anzuerkennen.
Im Mittelalter veränderte sich der Grundge-
danke des Antisemitismus. Der Jude werde 
nicht mehr bloß als Anhänger des Juden-
tums verachtet, sondern auch für alles ge-
hasst, was er in Wirklichkeit gar nicht ist: 
Ein Hostienschänder, ein Kindermörder, ein 
Verbreiter der Pest, ein Brunnenvergifter, ein 
Christusmörder, ein Teufelsanbeter.
Ab Ende des 18. Jahrhunderts emanzipieren 
sich auch die Juden dank der Errungenschaf-
ten der Französischen Revolution (1789). 
Juden lassen sich in neuen und wachsenden 
Sektoren nieder: dem Finanzwesen, dem 
Journalismus, der Stadtverwaltung, den 
Medien, dem Filmsektor, dem Bildungssek-
tor, dem Militär... Stück für Stück erwerben 
sie gleiche Bürgerrechte und -pflichten. Ihr 
sozialer Erfolg weckt jedoch auch Neid. ‘Der  
Jude’ wird für Antisemiten zum allmächtigen 
Weltherrscher. Die Fälschung der Protokolle 
der Weisen von Zion durch den russischen 
Staat illustriert diese Entwicklung. Auch 
der Mythos von der weltweiten Verschwö-
rung von Juden und Freimaurern, der Ju-
deo-Marçonnerie, taucht auf. Der politische 
Antijudaismus entsteht als Reaktion auf die 
gerade erst erworbene Bürgerschaft und 
Gleichheit der Juden. Deren Gegner wollen 
die Rückkehr zu den diskriminierenden Vor-
schriften gegen Juden.
1879 erfindet Wilhelm Marr den Begriff An-
tisemitismus. Der Antijudaismus erfährt 
große Veränderungen. Es geht nicht länger 
um den Kampf gegen ‘den Juden’ auf dem 
Gebiet von Glaube und Recht. Der Judenhass 
wird rassisch-biologischer Natur. Die Zuge-
hörigkeit zur ‘jüdischen Rasse’ wird als un-
abwendbar und endgültig angesehen. Diese 
Antirasse ist minderwertig und schädlich, 
ihr Blut ist schmutzig. Antisemiten erkennen 
dem ‘imaginären Juden’ jegliche Mensch-
lichkeit ab und stellen ihn auf einer Stufe mit 
einem Parasit, einer Krankheit, die ausgerot-
tet werden muss. Um ‘den Juden’ los zu wer-
den, muss dieser physisch eliminiert werden. 
Der rassischer Antisemitismus trägt so den 
Keim für einen Genozid in sich.
Durch diese Auswahl an Plakaten aus der 
‘Kollektion Arthur Langermann’ entdeckt 
der Besucher die großen antisemitischen 
Themen im Europa der 1930er und - 40er 
Jahre.
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