Einleitung
Der politische Diskurs hat sich seit dem Ankommen der dritten Populismuswelle (cf. Mudde&Kaltwasser 2013)
2013, das Gründungsjahr der AfD, stetig polarisiert (Zitat). Zusätzlich zu dieser Herausforderung für die deutsche
Demokratie kommt das relativ neue Phänomen der Depolitisierung des einst Politischen (cf. Rosanvallon 2006).
Demokratie und Streit gehören zwar wesensmäßig zusammen, aber mit diesen beiden Tendenzen ändert sich die Struktur
der politischen Auseinandersetzung grundsätzlich. Die politischen Lager sehen sich nicht mehr als Gegner, welche
denselben ethisch-demokratischen Prinzipien verpflichtet sind, sondern als Feinde, welche für ihr Eintreten für
illegitime Positionen vernichtet werden müssen. Dies führt zu einer pernicious polarisation, das heißt, dass alle
wesentlichen Konflikte in einer Spaltungslinie zusammenfallen, was zu einer Verabsolutierung kollektiver Identitäten
– wir gegen sie - sowie zu einer Moralisierung des Meinungsspektrums – Gut gegen Böse – führt. Durch die dadurch
Entstehende Segregierung der jeweiligen Lebenswelten (McCoy&Somer 2019) entstehen Systemgefährdende
Spannungen. Des Weiteren werden dadurch bisher nich von der Gesellschaft akzeptierte Methoden und Instrumente,
wie zum Beispiel das Einschüchtern und Bedrohen der Opposition, wieder salonfähig und wird durch pernicious
polarisation legitimiert (Arbatli&Rosenberg 2021). Durch diese Aufspaltung der politischen Sphäre in (in der Regel)
zwei verfeindete Gruppen und die Intensivierung des group alignments durch das Zusammenfallen aller Unterschiede
in eine einzige sich selbst verstärkende Spaltungslinie wird das demokratische Modell als solches gefährdet. Mit anderen
Worten, der Begriff des Politischen nach Carl Schmitt (cf. Schmitt 1932) ist wieder für Demokratien heute aktuell und
zu einer systemimmanenten Gefahr geworden. In dieser Arbeit möchte ich eine Möglichkeit aufzeigen, mit welcher
Demokratien diesen Trend bekämpfen können. Das normative Demokratiemodell der Deliberativen Demokratie von
Habermas zeigt einen Weg, wie mit solchen Angriffen auf die Demokratie umgegangen wird. Indem Räume geschaffen
werden, in denen politischen Konflikte verregelt werden und die Aussagen beider Lager auf ihre Wahrheit, Richtigkeit
und Wahrhaftigkeit geprüft werden, können solche Angriffe auf das demokratische Miteinander abgewehrt und somit
entschärft werden. Anhand des deutschen Herbstes 1977 möchte ich in dieser Arbeit zeigen wie das politisch linke
Lager, und die Frankfurter Schule stellvertretend für dieses, den Versuch ihrer Delegitimierung durch das Herstellen
einer vermeintlichen Kausalität zwischen ihr und dem Terror der RAF erfolgreich mit dem Medium der Öffentlichkeit
verregelt hat. Habermas hat diesen Konflikt, einerseits als Theoretiker und andererseits als öffentlicher Intellektueller
in einer Art geholfen zu entschärfen, welche konsequent seinen theoretischen Überlegungen zu der bürgerlichen
Öffentlichkeit und seiner Theorie zum kommunikativen Handeln folgt.
Meine These, anhand ich den deutschen Herbst analysieren werde, lautet:
Deliberative Elemente in einer elektoralen Demokratie helfen, um zwischen politischen Extremen zu
vermitteln. Diese Verregelung des Konflikts führt so zu einem Kompromiss oder Mäßigung des
politischen Konfliktes und erhöht damit die Stabilität eines politischen Systems.
Bevor ich mit der Analyse beginne, werden die wichtigen Konzepte meiner These erst definiert, welche dann im
weiteren Verlauf dieser Arbeit vertieft und operationalisiert werden.
Unter dem Begriff deliberative Elemente verstehe Ich die Bausteine, welche eine deliberative Demokratie in
der Realität ausmachen. Dabei folge ich der Habermaschen Idee der deliberativen Demokratie. Diese ist ein normatives