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E R S T E S K A P I T E L
DIE BÄREN
Man erzählt, die neue Königin rief
beim Anblick des neugeborenen Töchterchens der alten Königin:
„Schafft mir das Balg vom Hals!“ Der König, der die alte Königin
inzwischen beinahe vergessen und sein Töchterchen kaum eines Blicks
gewürdigt hatte, stimmte zu und dachte nicht weiter über die Sache
nach. Das wäre das Ende des kleinen Mädchens gewesen, wenn ihre
Amme Matulli nicht davon erfahren hätte. Die Amme stammte aber aus
der Finnmark, und wie viele andere Leute aus dieser Gegend besaß sie
die Fähigkeit, hin und wieder die Gestalt eines Tieres anzunehmen. Und
so verwandelte sie sich auf der Stelle in eine schwarze Bärin, nahm das
kleine Kind mitsamt der Decke ins Maul, verschwand brummend aus
dem Frauengemach hinter der Halle des Königs und trottete durch den
spärlichen Frühlingsschnee, der in der Umgebung der Halle bereits
geschmolzen war, durch den Birkenwald und den Tannenwald in den
tiefen dunklen Wald, wo die anderen Bären gerade aus dem Winter-
schlaf erwachten.
Wenn sich jemand in einen Bären verwandelt, wird er bärenhaft. Bei
der Amme Matulli war das nicht anders. Die kleine Halla krabbelte
zwischen den Bärenkindern herum, und sie bekam viele Knüffe von
harten Krallen und wurde von vielen rauhen Zungen geleckt. Sie lernte,
sich gegen die kleinen Bären zu wehren, und da sie Hände hatte, zahlte
sie ihnen die Grobheiten hin und wieder heim, zog sie an den Ohren
und kletterte ihnen auf die schwarzen Rücken. Manchmal fragte sie
sich, wann ihr Krallen wachsen würden. Sie lernte das Denken der
Bären und ihre Sprache. Es war eine Sprache, die ihren Zweck ganz gut