KHI 004 content v03 04blasermeier

Telechargé par Susanna Blaser
Abb.3: Wasserkrug, Bildfeld mit Reiter, engobierte Irdenware, koptisch 6./7.Jahrhundert,
Musée d'Art et d'Histoire Genève, Inv.-Nr.K77-86.021.
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Massenprodukt oder Sonderanfertigung
Zu einigen dekorierten koptischen Wasserkrügen aus den Kellia*
Susanna Blaser-Meier
Die keramischen Gefässe des frühchristlichen Ägyp-
ten können grob in zwei Gruppen unterteilt werden:
importierte Ware (Amphoren, verschiedene Typen von
afrikanischer und zypriotischer Terra Sigillata) und lo-
kale Produktion. Als genuin koptische Gefässkeramik
wird die scheibengedrehte Keramik aus Nilschlamm-
ton bezeichnet, deren Oberfläche gelegentlich bemalt
ist. Die Bandbreite der Motive reicht von rein orna-
mental über vegetabil bis zoo- und antropomorph. Die
Farbpalette beschränkt sich auf verschiedene Schat-
tierungen von Weiss, Rot und Schwarz. Bemalt wurden
nicht nur die verschiedensten Arten von Krügen, Scha-
len und Kelchen, sondern auch Grossgefässe wie Kes-
sel und Vorratstöpfe. Nicht alle Gefässe waren jedoch
grundsätzlich bemalt. Gerade der museale Bestand
an aussergewöhnlichen, reich dekorierten Gefässen
vermittelt eigentlich bisweilen ein einseitiges Bild
der koptischen Keramik. Kaum dokumentierte Fund-
zusammenhänge und fehlende Herkunftsangaben
erschweren zudem häufig die Einordnung dieser Uni-
kate in einen grösseren Zusammenhang.
Die hier vorgestellten Wasserkrüge stammen
alle aus verschiedenen Grabungskampagnen, wel-
che die Mission Suisse d’Archéologie Copte (MSAC)
zwischen 1965 und 1990 in den Kellia, einer Mönchs-
siedlung in der libyschen Wüste südwestlich von
Alexandria, durchführte. Hunderttausende von Ke-
ramikfragmenten unterschiedlicher Provenienz und
Qualität wurden hier zu Tage gefördert, eine derartige
Menge, dass der grösste Teil an Ort und Stelle wieder
in einem Depot vergraben wurde. Der Anteil bemal-
ter Keramik an der Gesamtmenge ist verschwindend
klein und dürfte unter einem Prozent liegen.
Die in den Kellia gefundene ägyptische Keramik
wurde offenbar nicht direkt vor Ort produziert, konn-
ten doch in den Kellia selbst keine Töpferöfen nachge-
wiesen werden. Ohnehin fanden sich archäologische
Hinweise auf Töpferöfen aus frühchristlicher Zeit im
Niltal bislang nur an einigen wenigen Orten. Es ist
zudem umstritten, ob die verschiedenen entlang des
Nils liegenden Lagerstätten von Nilschlammton, aus
welchem auch die kelliotischen Gefässe gefertigt
sind, überhaupt unterschieden werden können und
die Keramik dementsprechend einzelnen Produkti-
onsstätten zugewiesen werden kann. Mit Sicherheit
lässt sich deshalb vorläufig nur festhalten, dass die
Gefässe von ausserhalb in die Kellia kamen. Wo sie
hingegen hergestellt wurden und auf welchem Weg
sie in die Kellia gelangten, ist nach wie vor unklar.
Bezüglich der Gefässe und deren Dekoration stellt
sich nicht nur die Frage nach der Provenienz, sondern
auch ob und wie weit diese gezielt für den Gebrauch
im monastischen Umfeld geschaffen wurden. Auf-
grund des Variantenreichtums der Motive von einfach-
schematisch bis figürlich-erzählend kann davon aus-
gegangen werden, dass zwischen Massenproduktion
und Sonderanfertigung unterschieden werden muss.
Keramik aus den Kellia
Bei den untersuchten Gefässen lokaler Provenienz
handelt es sich um scheibengedrehte Keramik aus
gebranntem Ton. Die Drehspuren sind vor allem auf
der Innenseite der Wasserkrüge – teilweise auch am
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unbemalten Teil eines Gefässes auf der Aussenseite
als Rippenstruktur gut erkennbar. Die Bemalung auf
Basis von Tonerden wurde vor dem Brennen aufge-
tragen. Der grösste Teil der bemalten Gefässe ist mit
einer weissen Engobe grundiert, auf welche die Mo-
tive in Schwarz und Rot aufgemalt wurden. Alle Far-
ben kommen in unterschiedlichen Abtönungen vor.
So ergeben sich beispielsweise bei den Rottönen
zahlreiche Schattierungen, die von hellen Orangetö-
nen bis zu dunklem Schwarzrot reichen. Die Farben
auf Basis von Tonerde unterscheiden sich in ihrer
Zusammensetzung kaum vom Gefässmaterial; sie
enthalten alle ein Aluminosilikat. Weiterreichende
Untersuchungen zu den Farben liegen vor allem für
die altägyptische Keramik vor. Demnach handelt es
sich bei der schwarzen Farbe um einen mit Mangan
versetzten Ocker, der je nach Mangangehalt eine an-
dere Färbung erhält. Ob die Mangan-Ocker-Mischung
in Ägypten natürlich vorkommt, ist nicht bekannt.
Der rote Ocker (Hämatit-Ocker) ist hingegen in der
ägyptischen Wüste sehr häufig. Untersuchungen an
koptischer Keramik wurden nur für die weisse Farbe
vorgenommen, wobei festgestellt wurde, dass es
sich dabei um ein vor dem Brand aufgetragenes Kao-
lin handelt, das nach dem Brand bei hoher Tempera-
tur eine ausgezeichnete Haftung aufweist.
Definition, Bedeutung und Verwendung
der Wasserkrüge
Wasserkrüge bilden die grösste Gruppe bemalter
Keramik aus den Kellia. Es handelt sich dabei um
bauchige Krüge mit engem, an der Mündung trich-
terartig erweitertem Hals, der an der engsten Stelle
meist mit einem Filter einer eingefügten, geloch-
ten Tonscheibe versehen ist. Diese soll verhin-
dern, dass das Wasser im Krug durch Insekten und
Schmutz verunreinigt wird. Der für die Krüge verwen-
dete Ton wird durch das Beifügen von Asche als Ma-
gerungsmittel poröser, was sich positiv auf die Ver-
dunstungsleistung auswirkt und das Wasser im Krug
deutlich abkühlt. Im heissen Wüstenklima spielt das
Trinkwasser eine wichtige Rolle, und es verwundert
deshalb nicht, dass Wasserkrüge bei den Gefäss-
funden in den Kellia am vierthäufigsten sind. Min-
destens ein Wasserkrug wird zur Ausrüstung jeder
Ermitage gehört haben. Zudem haben Krüge aller Art
auch beim gemeinschaftlichen Leben der Mönche,
in liturgischem Zusammenhang und bei der Agape
Verwendung gefunden. Zwar übten die Mönche auch
beim Genuss von Wasser strengste Enthaltsamkeit,
im heissen Wüstenklima ist jedoch eine genügende
Flüssigkeitszufuhr für den Organismus lebensnot-
wendig. Auf jeden Fall wird dem Besucher einer Er-
mitage Wasser und eine Mahlzeit angeboten, auch
wenn das bedeutet, dass der gastgebende Mönch
sein eigenes Fasten brechen muss. Besucher ange-
messen zu empfangen, gehört für die Wüstenväter
zu den Pflichten der Caritas.
Motive auf Wasserkrügen
Unter dem gesichteten Material finden sich die
Überreste von mindestens 180Wasserkrügen. Nur
Abb.1: Wasserkrug, Umzeichnung des Bilderfrieses,
Musée d'Art et d'Histoire Genève, Inv.-Nr.K77-86.021.
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auf drei Krügen finden sich figürliche Darstellungen.
Zum einen ist dies der von Egloff um 390 bis 450 da-
tierte Krug, der auf der Schulter das fragmentarisch
erhaltene Motiv einer von einem Löwen verfolgten
Gazelle aufweist, zum zweiten ein aufwendig deko-
rierter Krug mit drei Bildfeldern, die um den Vasen-
körper angeordnet sind. Eines der Felder zeigt die
frontal ausgerichtete Halbfigur eines Menschen;
im zweiten Feld erkennt man eine auf einem Pferd
reitende Figur und im dritten zwei Gazellen. Auf ei-
nem weiteren Krug, von dem Schulter- und Halspar-
tie erhalten sind, ist ein Fisch dargestellt. Obwohl
das Motiv angebrochen ist, kann man eindeutig die
Schwanzflosse und die fächerartig gemalte Rücken-
flosse eines kleinen Fisches ausmachen. Ein ins
7.Jahrhundert datiertes kleineres Fragment könnte
laut Egloff einen weiteren Fisch darstellen. Das nicht
intakt erhaltene Motiv eine direkt an einen roten
Streifen anschliessende Schraffur und zwei gebo-
gene Pinselstriche könnte aber genauso gut Teil
eines geometrischen Dekors sein, wie es auf der
Keramik in den verschiedensten Varianten oft vor-
kommt. Die Deutung als Fisch ist meines Erachtens
reine Spekulation und lässt sich auch nicht durch
Vergleichsbeispiele ähnlicher Art erhärten.
Pflanzliches Dekor findet sich auf mehreren Krü-
gen in Form von zwei grossen Blättern – je ein Palm-
und ein Lanzettblatt –, die zwischen den Henkeln
auf der Schulter des Gefässes angeordnet sind. Eine
verwandte Dekoration weist ein ungebrochen erhal-
tener Krug auf. Dessen Schulter schmückt ein Fries
von drei bis vier lanzettförmigen Blättern. Er ist ins
7.Jahrhundert zu datieren und stilistisch eleganter
ausgeführt als die zuvor erwähnten Beispiele.
Zu den aussergewöhnlichen Stücken gehört der
aus zahllosen Fragmenten zusammengesetzte Krug
in Form eines Vogelkörpers. Die Vase ist fast vollstän-
dig mit verschiedenen ornamentalen Füllmustern
bedeckt. Die Muster haben keinerlei organischen
Zusammenhang mit der Vogelform, das heisst es
werden weder Flügel noch Federn oder sonstige Vo-
gelmerkmale in die Malerei umgesetzt. Abgesehen
von der besonderen Form findet sich auf dem Krug
oberhalb des angesetzten Schwanzes die einzige
Kreuzform, die im Bestand der gesichteten Keramik
vorkommt. Es handelt sich dabei um ein griechisches
Kreuz mit schwarzen Konturen und rot aufgemalten
Punkten an den Endpunkten der Kreuzarme.
Der grösste Teil der Krüge ist mit teilweise der
Pflanzenwelt entliehenen, rein ornamentalen Mus-
tern verziert, wobei die Anordnung in umlaufenden
Friesen überwiegt. Ein Motiv scheint dabei fast auf
jedem zweiten Krug vorzukommen – gezählt wurden
82Beispiele und zwar unabhängig von der Zeit-
stellung: ein rotes Band, das beidseitig von je einer
schwarzen Linie begrenzt wird. Dieser «rote Streifen»
ist in den allermeisten Fällen ein um das Gefäss lau-
fendes Band, vereinzelt kommt er auch als Bogen-
form, als senkrechter, kurzer Streifen oder Dreieck
vor. Er findet sich nie als einziges Muster auf einem
Krug, sondern steht immer in Zusammenhang ent-
weder mit weiteren Friesen oder dient als rahmende
Begrenzung eines figürlichen Musters. Drei weitere
Formen von umlaufenden Friesen basieren auf der
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